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Leseproben aus REDUKTION Die Essenz des Lebens


"Ich leide. Doch warum? Und wenn ja, woran denn? Ist es der Lärm der Großstadt? Mein Job? Unter der Beziehung zu Tom? Oder gar unter Weltschmerz?

Justine weiß es selbst nicht und im Grunde doch ganz genau. Von allem ein bisschen sicherlich und heute eben wieder ein bisschen mehr.

„Geschafft!“

Die Anspannung des Tages fällt von Justine ab. Ihre Hände umgreifen das kalte Metall des Geländers, sie schließt die Augen und atmet tief ein. Man denkt ja immer, so nah am Meer sei die Luft gut. Doch hier im Hafen stinkt es. Vor allem an den heißen Tagen … nach Motoröl, Abgasen und verdorbenem Fisch. Um sie herum ist alles voller Menschen, die an ihr vorbei hasten. Der Herr im Anzug trinkt am Imbiss einen Kaffee und pfeift fröhlich sein Lied und drüben, auf der anderen Straßenseite, da sitzt eine Bettlerin."


...


"Die Stockrosen, die rings herum emporragen, sind weit höher als Justine selbst. Ein traumhaftes Anwesen. Sie schleicht ums Haus und versucht, sich Zugang zu verschaffen, doch keine Chance. Alles ist verriegelt. Der Notar hatte ihr mitgeteilt, dass sie den Schlüssel erst nach Erbannahme erhält, wenn sie im Grundbuch eingetragen ist. Beide Hände zu einem schützenden Dreieck vor den Augen, schaut Justine durch die zwei kleinen Fenster, die nicht mit Klappläden verschlossen sind. Sie sieht einen Boden aus alten Mosaikfliesen im Flur und eine Treppe, viel mehr allerdings nicht. Es scheinen Möbelstücke vorhanden zu sein, die aber mit Überwürfen abgedeckt sind. Justine macht mit ihrem Handy Bilder von allem, was ihr – zurück in Hamburg – bei einer Entscheidungsfindung mit Tom helfen könnte. Das Haus ist bald hundertvierzig Jahre alt und war schon immer im Besitz der Familie Dupont, viel mehr Angaben konnte man ihr leider nicht machen."


...


„Ich gehe wieder an Land, schwimm du ruhig noch ein wenig. Ich schaue zu“, sagt er und steigt aus dem Wasser. Er setzt sich auf die Decke und nimmt sich eine Scheibe vom frisch gebackenen Brot, dazu holt er sich eine von Justine selbst gemachte Schorle aus Beeren und Minze. Justine schwimmt weit hinaus in den Main und wieder zurück. Als ein Motorboot kommt, liegt sie im flachen Wasser an der Bucht und juchzt, wenn die Wellen über sie schwappen. Eine Biene landet im Wasser und Justine rettet sie mit Hilfe eines Grashalms vor dem Ertrinken. Leopold beobachtet jede ihrer Bewegungen und sieht einen Moment lang nachdenklich versunken aus. Bevor sie fragen kann, was ihn beschäftigt, greift er nach zwei flachen Steinen und setzt an, diese über die Wasser-oberfläche hüpfen zu lassen. Justine beobachtet, wie die Steine über das Wasser tanzen. Und plötzlich fällt ihr auf, dass das Wasser gar keine Ringe bildet, sondern ganz ruhig bleibt.

„Hey, wie machst du das?“, fragt Justine erstaunt und steigt aus dem Wasser.

„Hier, nimm dir ein Handtuch. Du erkältest dich noch“, mahnt er besorgt, als er die Gänsehaut an ihrem ganzen Körper sieht. „Na, diese Wurftechnik musst du mir aber noch mal zeigen.“ Sie frottiert sich ab und schnappt sich ihr T-Shirt. Mit dem Rücken zu Leopold schlüpft sie in ihr Hemd. Dann dreht sie sich zu ihm um und lacht, als sie seine Augen ganz ungeniert auf sich ruhen sieht. Ihre blonden Haare umrahmen ihr hübsches, braungebranntes Gesicht. Ihre Sommersprossen auf der Nase und die grünen Augen sprechen für die künstlerische Freiheit und Kreativität des Schöpfers."


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