Selbstinszenierung oder Authentizität?
- lena.literatur
- 26. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Juni

Ich wurde auf Social Media damit konfrontiert, dass ich mich selbst inszeniere. Es störte sich jemand daran, dass ich meine Gedanken sichtbar mache. Konkret im Zusammenhang mit meiner Sehnsucht nach einem zurückgezogenen Leben und der Sichtbarkeit in den digitalen Medien.
Früher hätte mich das leiser gestimmt. Ich hätte mich schnell in Frage gestellt: Bin ich zu laut? Darf ich das überhaupt miteinander verknüpfen? Wie löse ich den inneren Konflikt, wenn ich mich doch mit meiner kreativen Selbstständigkeit selbst finanzieren muss?
Heute ist das anders. Ich bin dankbar – für den Weg in die Sichtbarkeit und all die Erfahrungen, die ich unterwegs gemacht habe.
Für mich ist das heute eine Einladung zur Reflexion: Was ist eigentlich gemeint, wenn von Selbstinszenierung die Rede ist? Und was passiert, wenn jemand sich authentisch zeigt?
Die Definition von Selbstinszenierung laut Duden:
Die bewusste Darstellung der eigenen Person in der Öffentlichkeit, häufig mit dem Ziel, eine bestimmte Wirkung zu erzielen.
Authentische Kommunikation vs. Selbstinszenierung
Ich habe Maske für Maske abgelegt. Jetzt bin ich ich – unverstellt, klar, ruhig.Und genau in diesem Zustand entsteht der Eindruck von „Inszenierung“.
Warum?
Vielleicht, weil wir Echtheit nicht mehr gewohnt sind?
Vielleicht, weil Klarheit herausfordert?
Vielleicht, weil jede Form von Sichtbarkeit zur Projektionsfläche wird?
Kann man ohne Inszenierung sichtbar sein oder ist nicht alles ein "in-Szene-setzen"?
Und ich frage mich weiter: Kann man überhaupt sichtbar sein, ohne eine Wirkung zu erzeugen? Noch dazu als Personenmarke? Und ist Wirkung gleichzusetzen mit Absicht? Und wenn Absicht, wäre dies grundsätzlich negativ?
Eher durch Zufall habe ich eine kurze Reportage über das Leben von Hildegard Knef gesehen, die ihrer Zeit nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte voraus war.Und ich sage danke für ihr Vorausgehen, für ihr Leben und ihre Gedanken bis heute – unverblümte Inszenierung.
Aus dem Lied gesungen von Hildegard Knef „Eins und Eins“:
„…der Mensch an sich ist feige und schämt sich für sein Gefühl, dass es nur keiner zeige weil die Moral es so will.“
Doch ob das Inszenierung oder Ausdruck ist – das entscheidet nach meiner Auffassung die Haltung dahinter. Auch habe ich mich an den Beitrag der Künstlerin Karin Döring erinnert. Sie hat zum Thema Diva einer wundervoll andere Definition ausgearbeitet. Eine mit Haltung und Würde und einer gehörigen Portion Chuzpe nämlich.
Aus dem Lied gesungen von Hildegard Knef „Ich möchte mich gern von mir trennen“:
„…Ich nahm auf mich leider nie Rücksicht von mir tief gekränkt steh ich hier, deshalb nehm ich lieber zur Vorsicht auf lange Zeit Abstand von mir.“
Diese Zeilen berühren mich immer sehr, denn ich kenne das Gefühl, sich selbst zu verlieren. Und auch den langen Weg zurück.
Wir dürfen uns zeigen
Wenn auch du mal konfrontiert wirst, lass dich nicht verunsichern, nur weil du endlich deinen Raum einnimmst.
Allen, aber auch gerade Frauen in der künstlerischen Selbstständigkeit, sollte man keine Knüppel zwischen die Beine werfen, wenn sie gerade dabei sind, an Tempo zu gewinnen. Wir brauchen diese Form von authentischem Selbstausdruck so dringend. Denn für uns soll’s rote Rosen regnen – uns allen sollten sämtliche Wunder begegnen.
Reagieren heißt nicht automatisch, sich zu rechtfertigen
Noch eine Sache ist mir in diesem Zusammenhang beschäftigt: Sobald man auf einen Vorwurf reagiert – ganz gleich wie ruhig oder reflektiert – heißt es schnell: „Jetzt rechtfertigt sie sich.“ Aber das stimmt nicht. In aller Deutlichkeit: Nein.
Reaktion ist nicht gleich Rechtfertigung. Eine Reaktion kann eine Meinungsäußerung sein.Eine Haltung. Eine Öffnung. Ein Denkprozess.Nicht jede Reaktion ist defensiv – viele sind bewusst, ruhig und souverän.
Rechtfertigung entsteht meist aus einem inneren Druck heraus. Reaktion hingegen ist ein aktives In-Beziehung-Treten – mit sich selbst, mit anderen, mit dem Thema. Wer reagiert, zeigt sich. Wer sich rechtfertigt, will sich schützen. Das ist ein großer Unterschied. Offene Reflexion kann in meinen Augen keine Rechtfertigung sein.
Wenn Reflexion falsch gelesen wird
Was mir dabei immer wieder begegnet:Sobald man öffentlich reflektiert, kommen Menschen angelaufen, die einem die „schlechten Gedanken wegmachen“ wollen.
Sie sagen dann Dinge wie:
„Lass das nicht an dich ran.“
„Da musst du drüberstehen.“
„Damit musst du eben leben, wenn du sichtbar bist.“
Selbst wenn im Text längst erkennbar ist, dass das eigene Licht nicht gedimmt wird, sondern ganz bewusst leuchtet – man liest nur die Hälfte, spürt ein Ungleichgewicht … und drückt schnell auf "die Tube mit dem Senf".
Was dabei oft vergessen wird:
Nachdenken ist kein Rückzug.
Zweifel ist kein Drama.
Und Reflexion ist kein Ruf nach Rettung.
Meinung ist nicht Wahrheit
Manchmal sind es gerade jene, die schnell trösten und alles glattbügeln wollen, die im eigenen Leben weit entfernt sind von dem, was sie anderen raten.
Denn eins ist klar: Wer nicht selbst in der Situation steckt, beurteilt immer aus der Distanz. Und die fühlt sich oft viel einfacher an als das, was wirklich ist. Das ist wie die Quizsendung im Fernsehen oder das Fußballspiel. Vom Sofa aus urteilt es sich leicht.
Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass im Wort Meinung das Wort Mein steckt?Wenn ich also etwas zu dir sage, dann ist das meine Meinung. Nicht automatisch deine. Nicht automatisch wahr oder nur für mich wahr. Streng genommen hat sie gar nichts mit dir zu tun – außer du entscheidest dich, sie anzunehmen. Jeder Mensch lebt nach seiner eigenen Wahrheit und hat so gesehen für sich auch immer recht. Das Schöne daran: wir können einem jeden Menschen dieses Recht lassen.

Zum Schluss: Sichtbarkeit bedeutet nicht Verstellung
Unter meinem Beitrag auf Instagram kommentierte Ralf Maeck:„Sichtbar zu sein heißt nicht, sich zu verstellen, sondern sich zu zeigen.“
Diese Worte könnten passender nicht sein – sie bringen auf den Punkt, worum es mir in diesem Text geht.
In diesem Sinne:
Strahle.
Lebe stimmig.
Es ist deine Energie.
Deine Frequenz.
Sie beeinflusst deine Zukunft.
Danke fürs Lesen.
Herzlichst
Lena
Weitere Gedanken zu Authentizität und Sichtbarkeit findest du in meinem Blog:
Meine Bücher findest du hier: